28.03.2015

Grenzgänger

Ich bin ein netter Mensch. Lieb. Manchmal etwas schüchtern. Oft etwas unsicher. 
Ich weiß, Regeln zu befolgen. Ich weiß, Menschen nicht zu verletzen. Vorsichtig zu sein. Mich anzupassen.

…und auszubrechen!

Ich suche noch nach der richtigen Balance für mich persönlich zwischen sozialverträglicher Sensibilität und eigensinnigem, Funken sprühendem Dickkopf. Ich glaube, das Suchen lohnt sich: Die Gratwanderung zwischen bequemem Befolgen und aufreibendem Neuerfinden will gegangen werden, um wie ein Muskel, den wir anspannen und wieder locker lassen, durch das Wechselspiel wachsen und zu mehr Leistung finden zu können.

In einem Leitartikel des SPIEGELs wurden vier Vordenker aus dem Silicon Valley vorgestellt. Menschen, die auf Regeln pfeifen – und damit die Welt verbessern wollen. Sebastian Thrun, Ingenieur bei Google, sagt „Regeln werden gemacht, um existierende Strukturen zu zementieren. Wir versuchen, sie zu umgehen.“ …ohne ständig Angst vor möglichen Fehlern zu haben, sondern mit optimistischen Blick auf die Chancen, die jedes mutige Tun mit sich bringt.

Sie denken neu, anders, sprengen Grenzen, sind inspirierend und unangenehm, forsch und größenwahnsinnig. Sie schaffen selbstfahrende Autos zur Vermeidung von Verkehrsunfällen und Früherkennungssysteme für Krebs. Mischen tradierte Branchen wie die Hotellerie auf, z.B. durch Sharing Economy-Star Airbnb. Sie verantworten aber auch Einbußen der individuellen Privatsphäre und Freiheit. Sie schaffen eine Art Allmacht der Konzerne. Und Frauen sind rar bei den Big Playern im Valley.

Ich frage mich:
Was können wir bei aller Ambivalenz von diesen Schwergewichten lernen?
Welche Regeln müssen wir hinterfragen und aufknacken, um zukunftsfähig zu sein?

Ich behaupte:
Bevor wir zu Themen wie dem Bildungssystem, der Wirtschaft oder Politik kommen, ist der eigene Kopf Regelhort Nr. 1, den es zu knacken gilt.

Rulebreaking fängt bei jedem selbst an. Bei den eigenen hemmenden Glaubenssätzen, Prägungen und Mantras wie „Ich kann das nicht!“, „Das darf man nicht…“. Ich übe mal (und das folgende sind meine ganz persönlichen Grenz-Themen): Erlaube ich es mir selbst, lieb UND ein Arsch zu sein, und stehe ich zu allem, was mich ausmacht, so kann ich auf ein ungleich größeres Repertoire an Eigenschaften zurückgreifen. Ich schiebe meine Angst vor Fehlern und dem Nicht-Gefallen beiseite und stehe mutig für Projekte und Themen ein, die mir am Herzen liegen. Ich möchte mich nicht meinen alten (Denk-)Strukturen ergeben, sondern die Funken sprühen lassen – und wahrhaft etwas in meinem Leben und somit auch für Andere bewegen.

Ich ahne:
(Eigene) Grenzen zu erkennen, sie zu hinterfragen und bei Bedarf zu überschreiten, bringt uns alle weiter.
Bleibt Ihr an der Linie stehen oder springt Ihr drüber?