24.06.2021

Speaking words of wisdom…

Eine Philosopherei über die Weisheit.

When I find myself in times of trouble

Die Ausgangslage ist vertrackt: Wir befinden uns in einer unbeständigen, unsicheren, ziemlich komplexen und widersprüchlichen Welt.1 Und unser Wissen ist begrenzt. Oft treffen wir Entscheidungen ohne Garantie auf Richtigkeit; wir versuchen uns mit dem Wissen, das wir haben, mit unseren Erfahrungswerten und Annahmen dem „Richtigen“ anzunähern. Doch was ist richtig? Wonach sollen wir streben? Und nach welchen Kriterien entscheiden?

Dort, wo unser Wissen an seine Grenzen stößt, kommt die Weisheit ins Spiel.

And when the night is cloudy there is still a light that shines on me

Weisheit entpuppt sich als Thema, das mich sowohl in der Vorbereitung für die Philosopherei als auch im wunderbaren Gespräch selbst vollkommen überrascht hat! Wer oder was ist schon weise?!

Überraschung Nr. 1: Weisheit ist die Kunst der klugen Lebensführung. Ganz praktisch und nahbar und dabei nicht an weiße Bärte, an Alter oder einen hohen IQ gekoppelt. Es geht neben den großen gesellschaftlichen Fragestellungen auch darum, seinen Alltag gut zu bewältigen, gut zu leben und den Blick für das Wesentliche zu schärfen. Jede und jeder von uns hat die Chance, weise zu denken, zu fühlen und zu handeln.

Überraschung Nr. 2: Weisheit ist eng geknüpft an Tugenden wie Gerechtigkeit, Nachsicht, Geduld, … Ein weiser Mensch nimmt sich selbst zurück und versteht sich verbunden mit der Welt und dem Leben aller. Es tauchen Begriffe auf wie „Gemeinwohl“ und „Bescheidenheit“. Der reine Fokus auf Wissen verleite dazu, dass wir mehr davon haben wollen und fördere in gewisser Weise die Egozentrik. Weise ist, wer sich der Grenzen seines Wissens bewusst ist und sich davon nicht kirre machen lässt.

Überraschung Nr. 3: Und ich geb zu, dieser Part hatte mich zu Beginn total irritiert, weil er nicht zu den klischeehaften Bildern in meinem Kopf von Bücherstapeln, bedachten Gesten & Co. passte! Ein möglicher Weg zur Weisheit ist die Meditation. Der Philosoph und Moderator Gert Scobel beschreibt, wie die Meditation dabei helfen könne, die – wie er’s nennt – „Nicht-Dualität“ der Welt, also die Verbundenheit zu begreifen – und wenn wir uns als verbunden verstünden, dass daraus Liebe, Mitgefühl und Gelassenheit entstehen, Attribute der Weisheit.

Und Überraschung Nr. 4: Verbundenheit ist die eine Seite, der Blick auf sich selbst, also Selbsterkenntnis die andere. Es gilt, seine Prägungen und die eigene Historie zu verstehen, sich die Freiheit zu nehmen, sich, seine Lebensform und die vorherrschenden Regeln zu hinterfragen. Sich von starren Systemen zu lösen, selber zu denken, nicht dogmatisch, sondern mit geistiger Beweglichkeit und Unabhängigkeit.

Und allein das zeigt, wie schwer es ist, weise zu sein. Weisheit ist ein harter Brocken, denn wir vergleichen uns ständig, fühlen Druck, müssen Erwartungen erfüllen und laut sein, wir wollen dazugehören, sind permanent selbst betroffen und reagieren emotional (dazu passend die hier vorgestellte Studie des kanadischen Professors Igor Grossmann2).

Irgendwo las ich neulich: „Wir brauchen die Weisheit am nötigsten, wenn man am wenigsten an sie glaubt.“

Wir brauchen, so scheint mir, Weisheit und weises Denken mehr denn je. Unverstelltes, die Größe besitzend, sich Zeit zu nehmen und eine eigene Haltung zu entwickeln. Wohlwollend und gut.

Wo sind sie, die Weisen?
Wie werden wir weiser?

Die Beatles singen:

„There will be an answer, let it be.”

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Quellen: