19.01.2018

The same procedure as last year?

Auf ein Neues!

Beständig und verlässlich, ein vertrauter Raum, in dem gegenseitige Wertschätzung und Offenheit, Freude wie auch Neugierde zu inspirierendem Austausch führen: die Philosopherei. Im Dezember diskutierten wir noch über Rituale, dieses Mal wollten wir etwas Neues: den Neubeginn. Es wirkt wie eine Gratwanderung zwischen zwei Extremen, dem Durchhalten und dem Wagnis der Veränderung.

Wie stehen Sie dazu?

Wir suchten nach dem Feuer der Veränderung. Was treibt uns stärker an, das „hin zu“ – die Sehnsucht – oder das „weg von“, weg von der Angst oder Langeweile? Steckt eigentlich immer eine bewusste Entscheidung hinter dem Wandel oder wiederfährt er uns? Zumindest unsere Haltung zum „Schicksal“ scheinen wir selber in der Hand zu haben. Immerhin.

Doch wenn wir uns das Leben genauer angucken, also ganz genau, unsere Zellen, dann wird klar, dass wir ständig sterben und neu entstehen. Ist Neubeginn daher nicht eigentlich der Dauerzustand? Doch wie urteilen Sie über Menschen, die ständig etwas Neues beginnen? Wann ist die Zeit reif – und wann (noch) nicht? (Kleiner Themensprung: Die eventuelle Neuauflage der GroKo lässt vermuten, dass sie noch nicht reif ist…)

Als ich Luftikuss im Jahr 2012 mein Leben komplett umkrempelte, wusste ich nicht, wohin die Reise geht, doch ich spürte Sicherheit und Halt. Die Welt stand mir offen, mit einem Anker namens Familie. Urvertrauen, das uns den Mut zum Weitergehen schenkt, selbst in unbekanntem Terrain.

Hilde Domin schrieb einmal: „Ich setzte den Fuß in die Luft – und sie trug.“

Doch was ist, wenn die Familie selber strauchelt. Das Extrem: Kriegsflüchtlinge, ob aus Schlesien, Syrien oder einer anderen Region. Ein Neubeginn mit Sprachlosigkeit, der sich im übertragenen Sinne in die Familien-DNA als Trauma festsetzt. In welchen Glaubenssätzen und Verhaltensnormen stecken wir heute noch fest, deren Grundlage aber mittlerweile keine Gültigkeit mehr hat? Meine Hoffnung ist, dass unsere heutige Bereitschaft zu offenen Gesprächen oder Coachings und Therapien hilft, Auswege – und nötige Neuanfänge – zu finden.

So sieht er also aus

Die Gäste der Philosopherei sahen im Neubeginn etwas durchweg positives und schilderten ihre Assoziationen in intensiven Bildern:

Die Stunde, bevor die Stadt erwacht; die Alltagsroutine schlummert noch sacht
Ein Sonnenaufgang, flirrend, energetisch, licht

Der Moment, wenn Du ein neues Land betrittst
Die unbekannten Gerüche und ein Sprachengewirr aus fremd klingenden Worten

Momente, in denen wir selbstbewusst, unseres Selbst bewusst sind, mit geschärften Sinnen.

Ich glaube, darin liegt der Zauber des Neubeginns. Wir spüren die Kraft und den Sog des Möglichen. Wir spüren Euphorie und Angst, wir sind ganz da – bevor der Tag wieder in neu gewohnten Bahnen weiter geht, und wir uns von der ganzen Aufregung für einen Moment des Stillstands ausruhen können. Bis zum nächsten Neubeginn.